Ein neuer Fund hat die wissenschaftliche Datenlage deutlich erweitert: Der erste in Kirgisistan entdeckte theropode Dinosaurier trägt den Namen Alpkarakush kyrgyzicus. Bereits 2006 stieß der kirgisische Paläontologe Aizek Bakirov auf die ersten Überreste dieses Fossils. Die Fundstelle liegt in den gebirgigen Wüsten nahe der Stadt Taschkömür im westlichen Kirgisistan, genauer in der Balabansai-Formation. Diese geologische Schicht stammt aus der mittleren Jurazeit und ist etwa 165 Millionen Jahre alt.
Ursprung in Südostasien
Theropoden, eine bedeutende Gruppe fleischfressender Dinosaurier, umfassen sowohl berühmte Arten wie Tyrannosaurus und Allosaurus als auch die Vorfahren unserer heutigen Vögel. Während des Mesozoikums, dem Zeitalter der Dinosaurier, existierte eine Vielzahl von Theropodengruppen. Ähnlich wie Löwen heute hauptsächlich in Afrika und Tiger in Asien leben, war der Allosaurus im Jura auf Nordamerika und den Südwesten Europas beschränkt, während vergleichbare Metriacanthosaurier in China vorkamen. „Das Gebiet zwischen Zentraleuropa und Ostasien war jedoch bisher kaum erforscht, da aus dieser riesigen Region bislang keine großen jurassischen Theropoden bekannt waren“, erläutert Professor Oliver Rauhut von der LMU München und der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie.
Im Rahmen mehrerer Ausgrabungskampagnen zwischen 2006 und 2023 konnten Schädelknochen, Rücken- und Beckenwirbel, Fragmente des Schultergürtels und der Vordergliedmaßen sowie nahezu der gesamte Beckengürtel und die Hintergliedmaßen eines etwa acht bis neun Meter langen Raubdinosauriers geborgen werden. Diese neue Gattung und Art weist bisher unbekannte Merkmale auf. Besonders auffällig ist die stark hervortretende „Augenbraue“ am Postorbitale, einem Schädelknochen hinter der Augenhöhle, was auf die Existenz eines Horns an dieser Stelle hindeutet. Weitere einzigartige Eigenschaften sind an den Rückenwirbeln und dem Oberschenkelknochen zu finden. Die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Studie wurde kürzlich im Zoological Journal of the Linnean Society veröffentlicht.
Vergleiche mit anderen Theropoden zeigen, dass diese neue Art den Metriacanthosauriden zugeordnet werden kann, die eng mit den großen Raubdinosauriern Ostasiens verwandt sind. Die Paläontologen vermuten, dass die Metriacanthosauriden und andere bedeutende Theropodengruppen ihren Ursprung in Südostasien haben und sich von dort aus über Zentralasien und Europa verbreiteten. „Auch wenn die Zuordnung von Alpkarakush zu den Metriacanthosauriden nicht völlig unerwartet ist, füllt dieser Fund eine bedeutende Lücke in unserem Verständnis der jurassischen Theropoden und liefert neue, wichtige Erkenntnisse zur Evolution und Biogeographie dieser Tiere“, betont Oliver Rauhut, der Hauptautor der Studie.
An derselben Fundstelle wurden auch Überreste eines zweiten, etwas kleineren Exemplars von Alpkarakush kyrgyzicus entdeckt. Untersuchungen der Knochenstruktur zeigten, dass es sich bei dem größeren Exemplar um ein nahezu ausgewachsenes, mindestens siebzehn Jahre altes und wahrscheinlich bereits fortpflanzungsfähiges Tier handelt, während das kleinere ein Jungtier war. Es ist denkbar, dass hier vor 165 Millionen Jahren ein Elternteil mit seinem Nachwuchs unterwegs war.
Das Fossil wurde nach Alpkarakush benannt, einem riesigen Vogel aus dem mythologischen kirgisischen „Manas“-Epos, der den Helden in kritischen Situationen beisteht. Der Artname „kyrgyzicus“ bezieht sich direkt auf die Herkunft des Dinosauriers aus der Kirgisischen Republik. Es besteht die Möglichkeit, dass Alpkarakush kyrgyzicus das erste in Kirgisistan ausgestellte Dinosaurierskelett wird: Bei ausreichender Unterstützung soll das rekonstruierte Skelett mit allen originalen Knochen im Historischen Nationalmuseum in Bishkek ausgestellt werden.
Von allen wesentlichen Knochen des Alpkarakush wurden zudem digitale 3D-Modelle mittels Photogrammetrie erstellt. „Diese Modelle sind nun online zugänglich und ermöglichen es Forschenden weltweit, weiterführende Studien durchzuführen oder 3D-Drucke anzufertigen“, erklärt Co-Autor Dr. Oliver Wings, der Leiter des Naturkundemuseums Bamberg.
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