Paläontologie: Neue nordafrikanische Raubsaurierart auf 80 Jahre alten Fotos entdeckt

Im Jahr 1914 entdeckten deutsche Paläontologen in Ägypten die Fossilien eines Dinosauriers. Mehr als ein Jahrhundert später stieß ein Student auf Fotos der während des Zweiten Weltkriegs zerstörten Knochen und konnte kaum glauben, was er sah. Wissenschaftler der LMU und SNSB erkannten auf den über 80 Jahre alten Bildern eine bisher unbekannte, rund 95 Millionen Jahre alte Raubsaurierart aus der nordafrikanischen Kreidezeit.

Kriegszerstörungen

Die bewegte Geschichte des Fossils reicht weit zurück: Das Originalskelet des großen Raubsauriers wurde von dem Münchner Paläontologen Ernst Stromer von Reichenbach (1871-1952) entdeckt. Im Jahr 1914 führte er eine Grabungsexpedition in der ägyptischen Oase Bahariya durch, bei der das beeindruckende Skelett ans Licht kam. Anschließend wurde das Fossil, zusammen mit weiteren Funden, in die Bayerische Staatssammlung für Paläontologie und Geologie nach München gebracht. Dort untersuchte Stromer das Exemplar und ordnete es der Gattung Carcharodontosaurus zu, einer Gruppe von „Haizahn-Echsen“, die mit einer Länge von etwa zehn Metern zu den größten landbewohnenden Fleischfressern der Erdgeschichte gehörten.

Diese Einschätzung hielt jedoch nicht stand. Während eines Luftangriffs auf München im Juli 1944 wurde die Alte Akademie, in der die Sammlung untergebracht war, von einer Bombe getroffen. Das Gebäude brannte bis auf die Grundmauern nieder, und die meisten wertvollen Fossilien, einschließlich der Dinosaurierfunde aus Ägypten, wurden zerstört. Nur Stromers Notizen sowie einige Fotos und Zeichnungen der Knochen blieben erhalten. Jahrzehntelang schenkte diesen Dokumenten jedoch kaum jemand Beachtung.

Erst 80 Jahre später nahm der Paläontologe Maximilian Kellermann, Student an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU), die Unterlagen erneut unter die Lupe. Dabei entdeckte er bislang unbekannte Fotos der Fossilien, die Teile des Schädels, der Wirbelsäule und der Hinterbeine zeigten. Schnell wurde klar: Diese Funde unterschieden sich deutlich von anderen bekannten Exemplaren der Gattung Carcharodontosaurus.

„Die historischen Bilder haben uns alle überrascht“, erklärt Maximilian Kellermann, Erstautor der Studie. „Das abgebildete Skelett zeigte deutliche Unterschiede zu den bislang bekannten marokkanischen Carcharodontosaurus-Funden. Die ursprüngliche Einordnung durch Stromer war nicht korrekt. Wir haben hier eine bislang unbekannte Raubsaurierart identifiziert und ihr den Namen Tameryraptor markgrafi gegeben.“

Tameryraptor war etwa zehn Meter lang, zeichnete sich durch symmetrische Zähne und ein auffälliges Nasenhorn aus. Der Name verweist auf „Tamery“, die altägyptische Bezeichnung für Ägypten als das „gelobte Land“. Zudem ehrt er Richard Markgraf, Stromers Fossiliensammler, der die Funde einst ausgegraben hatte. Die Forscher fanden heraus, dass Tameryraptor eng mit anderen nordafrikanischen und südamerikanischen Carcharodontosauriern sowie mit einer Raubsauriergruppe aus Asien, den Metriacanthosauriern, verwandt war.

„Die Dinosaurierfauna Nordafrikas war vermutlich viel vielfältiger als bisher angenommen“, sagt Oliver Rauhut. „Diese Entdeckung zeigt, dass sich die Suche nach Fossilien nicht nur in der Erde, sondern auch in alten Archiven lohnen kann. Für ein umfassenderes Verständnis der kreidezeitlichen Raubsaurierfauna der Bahariya Oase wäre es jedoch wichtig, weitere Fossilien aus dieser Region zu bergen.“

Sladjan Lazic

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