Paläontologie: War der jugendliche T. rex doch eine eigene Spezies?

Die Größe spielt eine bedeutende Rolle in der Paläontologie. Wenn Forscher fossile Knochen entdecken, die anderen ähneln, aber kleiner sind, wirft das die Frage auf, ob es sich um eine eigene Art handelt oder möglicherweise um ein Jungtier. Es besteht sogar die Möglichkeit, dass es sich um eine ungewöhnliche Variante wie Kleinwüchsigkeit handelt, ähnlich der Betrachtung, die einst für die ausgestorbene Menschenspezies Homo floresiensis in Indonesien in Betracht gezogen wurde. Im Hinblick auf Dinosaurier führt dies zu hitzigen Debatten, insbesondere um den bekanntesten und besterforschten Vertreter, den Tyrannosaurus rex. Vor zwei Jahren wurde eine Hypothese veröffentlicht, die besagte, dass die bisher gefundenen Exemplare in mehr als eine Spezies kategorisiert werden könnten. Der Paläontologe Gregory Paul und sein Team schlugen daher Tyrannosaurus imperator und Tyrannosaurus regina als zwei weitere Artbezeichnungen vor, ein königliches Trio sozusagen. Jedoch ließ die Kritik an dieser Idee nicht lange auf sich warten.

Haben sich die Forscher:innen die ganzen Jahre geirrt?

Ein weiterer strittiger Punkt, der stark mit der Größe zusammenhängt, betrifft den sogenannten Nanotyrannus. Bei einigen kleineren Fossilien, die dem T. rex zugeschrieben wurden, wird darüber debattiert, ob es sich um noch nicht ausgewachsene Exemplare handelt oder um eine eigene Spezies beziehungsweise Gattung. Vor vier Jahren gab es eine veröffentlichte Studie, die argumentierte, dass es den Nanotyrannus nicht geben würde und stattdessen junge T. rex repräsentieren würde.

Nun gibt es eine neue Wendung. Die Forscher Nicholas Longrich von der University of Bath in Großbritannien und Evan Saitta von der Universität Chicago in den USA schrieben in der Fachzeitschrift Fossil Studies über den Nanotyrannus lancensis, einen entfernten Verwandten des T. rex. Er war kleiner und hatte – im Gegensatz zu den ikonischen winzigen Armen des berühmten Dinos – etwas längere Arme.

Ihre erneute Analyse der umstrittenen Fossilien, von denen eines seit 1942 bekannt ist, soll die Debatte endgültig zugunsten des Nanotyrannus entscheiden: „Dies scheint das Ende der Hypothese zu sein, dass diese Tiere junge T. rex sind“, so Longrich in einer Erklärung der Universität Bath. Er selbst war einst auch ein Skeptiker des Nanotyrannus, „bis ich vor etwa sechs Jahren einen genaueren Blick auf die Fossilien warf und überrascht feststellte, dass wir uns all die Jahre geirrt hatten.“

Ein überzeugendes Argument in ihrer Analyse sind die Wachstumsringe in den Knochen, ähnlich den Jahresringen von Bäumen. Diese Ringe entstehen aufgrund von Lebensphasen und Ernährungsbedingungen. Eine interessante Studie rekonstruierte sogar die lebenslange Reiseroute eines Mammuts anhand seiner Stoßzähne. Die Dinosaurierknochen zeigten dichtere Wachstumsringe nach außen hin, was darauf hinweist, dass ihr Wachstum langsamer wurde.

Das deutet laut Paläontologen darauf hin, dass sie am Ende ihres Größenwachstums waren. Junge Exemplare sollten sich hingegen in Phasen schnellen Wachstums befinden und jährlich hunderte Kilogramm zunehmen. Die Ergebnisse dieser Analyse überraschten Longrich: „Als ich diese Ergebnisse sah, war ich ziemlich überwältigt.“

Die Modellrechnungen ergaben, dass der Nanotyrannus maximal 900 bis 1.500 Kilogramm wog und nicht größer als fünf Meter wurde. Das steht im Gegensatz zu den riesigen T.-rex-Vertretern, die bis zu acht Tonnen wiegen und über neun Meter groß werden können. Somit wäre der Nanotyrannus nicht einmal ein Fünftel so groß wie ein T. rex, schätzen die Autoren.

Aussehen wie „Kätzchen und Katzen“

Longrich argumentiert außerdem, dass Jungtiere verwandter Spezies den ausgewachsenen Tieren in vielen typischen Merkmalen ähneln. Das gelte für den ostasiatischen Tarbosaurus, den einige Fachleute ebenfalls zu den Tyrannosauriern zählen. Longrich verwendet dazu einen anschaulichen Vergleich: Die Jungtiere verschiedener Tyrannosaurier hätten ein charakteristisches Aussehen, „so wie Kätzchen Katzen ähneln und Welpen Hunden.“

Allerdings sieht Nanotyrannus überhaupt nicht wie ein T. rex aus. Das Tier war nicht nur wesentlich kleiner, sondern auch agiler. Zudem hatte es etwas längere Arme. Diese konnten auch als Waffen fungieren. „T. rex war groß und stark, dieses Tier setzte aber auf Geschwindigkeit.“

Während ihrer Forschung stieß das Team auf ein Exemplar eines jungen Tyrannosaurus, das zusammen mit anderen nicht identifizierten Knochen in einer Museumskiste gelandet und vergessen worden war. Trotzdem gibt es laut den Autoren keine bekannten Fossilien von jungen T.-rex-Exemplaren. Dieses spezielle Exemplar wies einen Schädelknochen auf, der dem eines ausgewachsenen Tiers ähnelte und sich damit von Nanotyrannus unterschied. „Junge T. rex gibt es, sie werden nur äußerst selten gefunden, so wie die Jungtiere vieler Dinosaurier.“

Nicht alle Experten teilen diese Ansicht. Thomas Carr vom Carthage College in Wisconsin kritisiert die Studie und hatte bereits das Modell von T. rex, T. regina und T. imperator kritisiert. Er entdeckte selbst mehr als zehnmal so viele Unterschiede zwischen jugendlichen und erwachsenen Tyrannosauriern wie die neue Forschungsarbeit. Dies sei jedoch zu erwarten: „Die Autoren scheinen nicht ausreichend mit den Wachstumsvariationen bei Tyrannosauriern vertraut zu sein.“

David Hone von der Queen Mary University in London merkt an, dass die neue Studie zwar einige alte Ideen wieder aufgreift, diese jedoch nicht an Überzeugungskraft gewonnen haben – und dass einige der neuen Ideen meistens auch nicht überzeugend seien. Dennoch kann er sich vorstellen, dass es weitere Spezies innerhalb der Tyrannosaurus-Gattung gibt, obwohl derzeit nur der T. rex als gültige Spezies betrachtet wird. Es sei bemerkenswert, dass der Tyrannosaurus in seinem Ökosystem offenbar ein einzigartig großes Raubtier war.

Letztendlich wird die Debatte wohl erst geklärt werden, wenn Nachweise für junge und erwachsene Exemplare von T. rex und Nanotyrannus gefunden werden – und diese von einem Großteil der Fachwelt anerkannt werden. Obwohl dieser Nachweis noch aussteht, geben die Aussagen von Longrich und Saitta zu denken. Sie betonen, dass es aufgrund der meist unvollständigen Skelette von Dinosauriern schwierig ist, diese zu unterscheiden.

Sladjan Lazic

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